
Max Allan Collins hat in dem vorliegenden „Hard Case Crime“ Hardcover nicht nur Mickey Spillane letzten von ihm selbst abgeschlossenen Roman veröffentlicht, sondern gleichzeitig auch eine in seinem Nachlass gefundene längere Novelle offensichtlich aus den fünfziger Jahren hinzugefügt. „A Bullet for Satisfaction“ zeigt den Mike Hammer Spillane, während „The Last Stand“ eher eine ruhigere, nicht weniger spannende Geschichte eines Autoren ist, der eine gewisse positive Selbstzufriedenheit gefunden hat und aus der Erzählerposition indirekt auch auf sein eigenes Leben zurückblickt. Vielleicht ist deswegen „The Last Stand“ aus der dritten Person geschrieben worden, während die meisten seiner harten Thriller aus der intimen Ich- Perspektive verfasst worden sind.
In seinem langen Vorwort geht Max Allan Collins, der einige Mike Hammer Fragmente abgeschlossen und veröffentlicht hat, nicht nur euphorisch auf Spillane Einfluss ein, sondern versucht ein wenig den Menschen hinter diesen Romanen zu beleuchten. „A Bullet for Satisfaction“ ist in dieser Hinsicht ein klassischer Spillane Text. Während Mike Hammer in den ersten Romanen immer gleich von Rache ausgeht, versucht der ehemalige Polizist und Ich- Erzähler dieser Novelle ein Verbrechen aufzuklären und den Sumpf der Mafia in seiner Kleinstadt zu säubern. Erst im Laufe der Ermittlungen durch kontinuierliche Wespenstiche aufgeschreckt attackieren ihn die Handlanger des örtlichen Bosses und töten dabei unschuldige Menschen, was ihn zu einer Art aufklärenden Rachefeldzug führt. Die große Ironie dieser mit einem sehr hohen Tempo geschriebenen Geschichte liest in der Tatsache, dass die Ereignisse nur mittelbar mit dem anfänglichen Mord zu tun haben. Nicht wie in Hammetts verfilmten „Red Harvest“, sondern dem John Sturges Thriller „Bad Day at Black Rock“, in dem Spencer Tracy durch das kontinuierliche Suchen nach einem in dem kleinen Ort lebenden Japaner die Bürger aufschreckt und zu Aktionen zwingt.
Captain Rod Dexter ist ein erfahrener Polizist mit einer hohen Aufklärungsquote. Er wird zum Mord den örtlichen Politikers Mayes Rogers in ein Tagungshotel gerufen. Niemand will etwas gesehen haben. Ein Hinweis der Schwägerin des Toten bringt ihn auf die Spur des Distriktanwalts Frank Graham, den Dexter beschuldigt, Mitglied des örtlichen Mobs zu sein. Dexter wird seines Amts enthoben und aus der Polizei entlassen.
Lange Zeit wird Dexter in erster Linie hin und her getrieben. Der Mob versucht ihn loszuwerden, während insgesamt vier Frauen hinter Dexter her sind. Zwei von ihnen werden auf eine teilweise brutale Art und Weise ermordet, bei den anderen beiden Schwestern wird der ehemalige Detektiv in mehrfacher Hinsicht an seine Grenzen stoßen.
Die Actionszenen sind effektiv, brutal und kurzweilig. Immer wieder schwört Dexter auf sein Schießeisen als befreiendes Element, mit dem er nicht nur Gantsville befriedigen, sondern im Grunde im Laufe der Ermittlungen auch sein schlechtes Gewissen befriedigen will. In bester Mike Hammer Manier wechseln sich Kämpfe und Machosprüche ab.
Die Figuren wirken eher pragmatisch rudimentär gezeichnet. Das Ende ist in mehrfacher Hinsicht eine Überraschung. Auch wenn Dexter eine Reihe von Gangstern im Laufe seiner Ermittlungen tötet, bleibt ihm der finale Triumph, vielleicht auch die abschließende Tragödie erspart. Nur den Mörder kann er nicht direkt seiner gerechten Strafe zu führen.
Ein ironischer Abschluss einer ausgesprochen geradlinigen, für Mickey Spillane aber auch so typischen bis fast schematischen Geschichte, die einen Einblick in die Faszination gibt, welche Mike Hammer in den fünfziger Jahren mit seinen ersten Romanen hervorgerufen haben muss.
„The Last Stand“ gehört zu den letzten Kurzromanen, die Mickey Spillane abgeschlossen hat. Viele werden aus heutiger Sicht an einen Actionreißer in der Tradition des gleichnamigen Schwarzenegger Streifens denken, aber im Grunde handelt es sich um eine fast melancholische Liebesgeschichte, die vor allem über die Charaktere und die Kritik an der Behandlung der Indianer durch die Weißen bis in die Gegenwart gekennzeichnet ist und sich überhaupt nicht über die im Grunde flache bis enttäuschende Handlung definiert.
Joe Gillian liebt es, Oldtimer zu fliegen. Er ist nicht reich, aber zufrieden mit seinem bisherigen Leben. Als seine Maschine über der Wüste technische Schwierigkeiten hat, muss er notlanden. Ein Indianer findet ihn und will ihn zu seiner Schwester bringen, die im Grunde alles reparieren kann. Auf dem Weg dahin findet Gillian eine Keilspitze, die nicht nur radioaktiv strahlt, sondern aus einem extrem seltenen Material ist. Das Artefakt ist Millionen Wert. Gillian schenkt es dem Indianer.
Die natürlich wunderschöne Schwester Running Fox kann das Flugzeug reparieren. Funken sprühen zwischen Gillian und ihr, wobei es einen indianischen Rivalen gibt. Auf dem Rückflug in die Zivilisation merkt Gillian, das sein Fund die Aufmerksamkeit nicht nur des FBIs, sondern anscheinend andere Interessengruppen erweckt hat. Er entschließt sich, seinen neuen Freunden beizustehen.
Das grundlegende Problem dieser schwerfälligen Geschichte liegt in dem fehlenden effektiven Spannungsaufbau. Spillane nimmt sich sehr viel Zeit, über Gott und die Indianerwelt zu philosophieren. Sein Protagonist Gillian ist ein ambitioniert angelegtes eindimensionales Klischee, das zu gut für die gierige Welt ist, auf der anderen Seite gar nicht ahnt, wie sehr ihm die richtige Frau mit einem entsprechenden Schraubenschlüssel an der Seite gefehlt hat und das Ungerechtigkeit durch Ablenkung am besten ausgeglichen wird. Wenn Spillane am Ende noch ein doppeltes Happy End buchstäblich fabriziert und Gillian zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage quasi „Gold“ findet, während Generationen wie Schatzjägern wie Miner Moe vergeblich in einer Gegend gesucht haben, die ihnen wie die Westentasche vertraut sein sollte, wird die Glaubwürdigkeit endgültig unterminiert.
Vor allem weil sich keine wirklich Dynamik entwickelt. Im Gegensatz zum brutalen wie schnittigen Crime Noir aus den fünfziger Jahren variiert Mickey Spillane an keiner Stelle das Tempo und baut Momentum auf. Hinzu kommt, dass die Figuren ausgesprochen eindimensional sind und der Funke zwischen Gillian sowie Running Fox nicht wirklich überspringt. Nicht einmal über richtige Schurken verfügt der Roman, so dass der Leser eher das Gefühl hat, eine Art weichgespülte Lebensbeichte eines alternden Mannes mit entsprechenden Phantasien zu lesen als eine Story, die unterhaltsam, spannend und interessant ist.
Einzig das gegenwärtige Schicksal der Indianer, ihr inzwischen zu einem die eigene Entwicklung aus dem Schatten der Vorfahren heraus hemmender Fatalismus sowie die tödlichen Beschreibungen der Wüste heben das Buch aus der Masse oberflächlicher Abenteuergeschichten heraus und lassen an einigen wenigen Stellen Spillanes pointierte Beobachtungsgabe erkennen.
Es ist vor allem „A Bullet for Satisfaction“, welche diesen Doppelband lesenswert macht, während „The Last Stand“ vor allem Mike Hammer Anhänger enttäuschen wird. Und darüber kann auch nicht Max Allan Collins viel zu euphorisches, Spillane alleine huldigendes Vorwort hinwegtäuschen.
Hard Case Crime,
Hardcover, 288 Seiten
ISBN 978-1-78565-686-6