Mit „Die Bestien der Finsternis“ aus der Feder Irene Salzmanns liegt der erste Abschlussband der ersten „Rettungskreuzer Ikarus“ mit einem um fünfzig Prozent erweiterten Umfang vor. Im Gegensatz zu den bisherigen Romanen verzichtet die Autorin auf verschiedene Handlungsplätze, sondern führt alle wichtigen und weniger wichtigen Protagonisten auf dem Sperrplaneten „Gomorrha III“ zusammen. Für eine Welt, die bislang für fast alle Besucher – nur Cornelius hat nach seinem Besuch auf diesem Planeten Suggestivkräfte erhalten – entweder gleich zum Grab geworden ist oder sie wahnsinnig zurückgelassen hat. Für eine Welt, die für eine der gefährlichsten Seuchen der letzten Zeit verantwortlich ist. Ein interessanter Planet, bei deren Erkundung Irene Salzmann zumindest im letzten Drittel des Plots in gewohnter Manier über Geschlechterrollen und Vorurteile philosophieren kann, ohne dass der zugrundeliegende Spannungsbogen drunter leidet. Mit dem deutlich größeren Handlungsumfang hat sich die Autorin aber auch ein nicht immer ganz leicht zu tragendes Kreuz auf die Schultern gelegt, denn ihr Handlungsbogen streift auch eine Reihe von Klischees des Genres. So ist „Gomorrha III“ von sich aus schon ein gefährlicher Planet, was durch die einheimische Flora und Fauna natürlich auch expliziert unterstrichen werden muss. Das Cover mit dem eine leicht bekleidete Frau jagenden Dinosaurier sei hier als Fanal voran gestellt. Neben diesen großen Raumtieren finden sich verschiedene mehr oder minder giftige Insekten und Spinnen. Die Pflanzen sind heimtückisch und wissen sich nicht nur gegen die Eindringlinge, sondern vor allem auch gegen die auf den ersten Blick primitive Ureinwohner. Das Problem bei exotischen Planeten ist ohne Frage, dass man nur verschiedene Variationen zur Verfügung hat und originelle Ideen seit den besten/ frühen Jahren Alan Dean Fosters Mangelware sind. In dieser Hinsicht wirkt der vorliegende Roman „Die Bestien der Finsternis“ solide geschrieben, aber die letzte originelle Idee fehlt den auf dem Planeten spielenden Szenen. Nur wenn es um den Kampf der „Geschlechter“ beim eingeborenen Stamm geht, in dem mit primitiven Machogehabe die Frau unterdrückt wird, während diese nach den neuen, auf dem Planeten gelandeten Männern schielen, springt der Funke wirklich über. Irene Salzmanns pointierte bis stellenweise zynische Ironie kommt in diesen Szenen kurz, aber nachhaltig zum Tragen und gleich einige der im Vorwege angewandten bekannten Versatzstücke zufriedenstellend aus. Abschließend wird allerdings das immerhin drei Romane umfassende Problem fast zu schnell angesichts der Herausforderungen auf der primitiven Welt erledigt. In den verschiedenen Epilogen führt die Autorin die teilweise geläuterten Protagonisten auf verschiedene Ausgangspositionen für das nächste Abenteuer zurück. Dabei soll nicht ausgedrückt werden, dass „Die Bestien der Finsternis“ ein schlechter Roman ist. Aber angesichts der Erwartungen, die vor allem im Auftaktroman geweckt worden sind, und den zahlreichen Hinweisen auf diese geheimnisvolle, gesperrte Welt wirken die letztendlich präsentierten Informationen vielleicht ein wenig zu vorhersehbar. Das der Kontakt zum Landungsteam natürlich irgendwann abreißt oder die Einheimischen die Eindringlinge nach und nach einsammeln und ebenfalls natürlich in ihr Dorf bringen, sei hier nur expliziert am Rande noch einmal erwähnt werden. Vor allem in Bezug auf die Action wechselt die Handlung zwischen packenden Ideen, die Irene Salzmann im Vergleich zu anderen Autoren etwas humorvoller präsentiert, die aber bekannt sind und dem Innenleben der zahlreichen Figuren, die rückblickend positiv die Defizite in der Handlungsführung deutlich aufwiegen.
In den ersten beiden Bänden der Trilogie hat Irene Salzmann nachdrücklich bewiesen, dass sie insbesondere mit Junius Cornelius zwischen Freiersfüßen und der Suche nach seiner Erinnerung hinsichtlich der ersten Landung auf dieser Welt sehr gut umgehen kann. Sie entwickelt zwar die Figur im vorliegenden Abschlussband der Trilogie nicht mehr weiter, aber ihr gelingt es, diese vorherrschenden Selbstzweifel nach der Reflektion in den ersten beiden Büchern in positive Action umzuwandeln. Ohne zu viel zu verraten wird Cornelius einiges finden. Nicht unbedingt mehr als er erwartet hat, aber zumindest ausreichende Informationen. Ebenfalls auf der Suche über das Forschen hinaus ist die xavanthinische Botschafterin Wawa Guarani, die nach ihrem bei einer früheren Expedition verschwunden Bruder sucht. Die Verbindung zwischen „Vergangenheit“ und Gegenwart wird von Irene Salzmann im Falle der Botschafterin nicht ganz zufriedenstellend herausgearbeitet. Ihr Motiv ist klar umrissen, ihre Vorgehensweise im Rahmen des Teams nicht immer nachvollziehbar.
Captain Sentenza und einige Mitglieder der "Ikarus" Besatzung sollen auf dem Planeten nach den Keloiaechsen suchen. Die ersten Untersuchungen des Planeten werden von gut geschriebenen pointierten Dialogen begleitet, in denen die Autorin über die individuellen Züge der bekannten Besatzungsmitglieder hinaus die besondere Situation herausarbeitet. Das Commodore Färber der "Ikarus" allerdings noch Rückendeckung in Form der Schmuggler Jason Knight und Taisho hinter her schickt, wirkt dagegen stärker konstruiert. Auch die Suche des vizianischen Telepathen Pakcheon nach Cornelius, den er nicht auf dem Vortex Outpost antrifft, führt konsequent zum gesperrten Piloten. Das ambivalente Verhältnis zwischen Pakcheon und Cornelius gehörte ohne Frage zu den Höhepunkten der letzten beiden Romane. Getrennt wirken die Figuren weniger effektiv, zumal Irene Salzmann am Ende des vorliegenden Bandes dieses Verhältnis auch zu stark relativiert und pragmatische Erklärungen hinterher schiebt. Es wäre für den Verlauf der ganzen Serie interessanter gewesen, diese Beziehung im Bereich des "Möglichen" zu lassen anstatt alles später auf ein seltsames Bedürfnis nach Fortpflanzung zu reduzieren. Im Mittelteil des vorliegenden Romans sind nicht nur alle Protagonisten auf oder auf dem Weg nach "Gomorrha III", mit dem Auftauchen von Thermion Merkants Wenxi- Klonen in geklonten Raumschiffen (!!!) wird ein letzter Konfliktherd in die Handlung einführt. Leider präsentiert Irene Salzmann mit den immer pünktlich eintreffenden Verstärkungen auf Heldenseite immer zu schnell und zu nachhaltig eine entsprechende Antwort.
So gut diese Konzentration von bekannten Protagonisten auf oder über einem streng abgeschirmten Raum auch sein mag, teilweise verliert sich die Autorin ein wenig überambitioniert in den Kleinigkeiten und treibt im Mittelabschnitt die Handlung eher durch das Hinzufügen weiterer Schauplätze und nicht eine konsequente Plotführung voran.
Zusammengefasst ist "Die Bestien der Finsternis" als Abschluss der ersten Trilogie ein solider Roman, welcher die Stärken und Schwächen der neuen Struktur gut unterstreicht. Zu den Stärken gehört eine nachhaltigere Konzentration auf einen Plot - egal wie vielschtig er sein mag -, der in einem überschauberen Zeitraum von einem Autoren angefangen und abgeschlossen wird. Zu den Nachteilen gehört auf der anderen Seite haben nicht die unterschiedliche Autoren verschiedene Perspektiven in einen Handlungsverlauf eingebracht und konnten teilweise die manchmal ein wenig zu oft verwandten Versatzstücke besser, unterhaltsamer und interessanter variieren. Diese Vielfalt entfällt. Insbesondere einige Passagen des vorliegenden dritten Bandes zeigen bei der Autorin leichte Ermüdungserscheinungen und wirken nicht mehr so frisch nieder geschrieben wie im Auftaktroman. Die Gesamthandlung über die drei Romane bildet aber ein lesenswertes Mosaik aus bekannten Hintergrundinformationen der Serie und einer phasenweise inspirierten Space Opera Handlung, die auf "Gomorrha III" einen vielleicht ein wenig zu langen, aber unterhaltsamen Höhepunkt in jeglicher Bedeutung des Wortes findet.
Titelbild: Lothar Bauer
A5 Paperback, ca. 160 Seiten, ISBN 978386402-117-6.