Dragon Teeth

Dragon Teeth,. Michael Crichton, Titelbild, Rezension
Michael Crichton

“Dragon Teeth” ist ein weiterer im Nachlass Michael Crichtons gefundener Roman. Auch wenn die Presse davon spricht, dass es der Ursprung der späteren Dinosaurier Bestseller „Jurrassic Park“ und „The Lost World“ sein könnte, stimmt diese Behauptung nicht. Das Buch ist wahrscheinlich im Jahr 1974 entstanden, als sich Michael Crichton auch mit „The great Train Robbery“ und vor allem „Eaters oft he Dead“ den historischen Abenteuergeschichten  zuwandte.

Minutiös recherchiert geht der Amerikaner noch einen Schritt weiter.  Mit den Rivalen Othniel Charles Marsh und Edward Drinker Cope hat der Autor zwei „historische“ Figuren genommen und entwickelt ihren fast bizarr erscheinenden Zweikampf um Fossilienfunde im Wilden Westen zu einer spannenden Abenteuergeschichte, deren Details so bizarr erscheinen, dass sie im Grunde „fiktiv“ sein könnten.  Aber Michael Crichton hat noch  Spaß, mit der  Geschichte. Nicht nur die beiden Hauptfiguren sind in der einen oder anderen Form historisch verbürgt, von den acht bis neun wichtigsten Charakteren stellt nur  der Erzähler eine fiktive Figur dar. Neben den beiden Paleonthologen baut der Amwerikaner mit Robert Louis Stevenson als kränklicher Bahnreisender auf dem Weg zu einer geliebten frau  in Kalifornien, zwei der Earp Brüder,  dem Sammler  von Fossilen Charles Hazelius Sternberg oder dem Gründer von Salt Lake City Brigham Young  immer wieder historisch verbürgte Figuren ein. Hinzu kommen unzählige Querverweise. Michael  Crichton liebt es, in seinen Büchern den Leser nicht nur zu unterhalten,  sondern auch unauffällig zu belehren. Bei seinen modernen Techthrillern bedeutet diese Vorgehensweise an unglücklichen Stellen auch lange Exkurse, welche die Handlung zum Erliegen bringen. In seinen frühen,  sehr viel stringenter geschriebenen Büchern fokussiert sich der Autor deutlich  mehr, fügt die notwendigen Fakten und weitergehenden Hintergrundinformationen kurzweilig, durch die grundlegende Erzählform sogar ein wenig humoristisch in den rasant erzählten Plot ein. Das macht die inzwischen zur Adaption stehende Geschichte auch heute noch zu einem der besten  Romane Crichtons, aus einer Zeit stammend, als er nicht selten noch unter dem Pseudonym John Lange eher Reiselektüre in Form von griffigen Thrillern geschrieben hat.

Direkt oder indirekt ist William Johnson der Erzähler. Im Grunde ein unterforderter gelangweilter Student mit reichen Eltern – sie stammen aus der Schiffsbranche – in Philadelphia.  In einer Doppelung der Ereignisse hat Johnson an seiner Universität einen jungen Mann aus deutlich reicherem Haus, der ihn nicht leiden kann. Die Rivalität zwischen den beiden jungen Männern erreicht zwar nicht die selbstzerstörerischen Dimensionen von Marsh und Cope, aber sie ist spürbar.  Der junge Mann wettet, dass Johnson gelangweilt während der Semesterferien nach Europa fahren wird. Johnson fühlt sich provoziert und behauptet, an einer der geheimnisvollen Expeditionen des Professors  Marsh in den Wilden Westen teilnehmen zu wollen. 

Marsh ist ihm gegenüber nicht nur wegen seiner Herkunft misstrauisch.   Im Grunde ist sein Team voll. Er braucht nur noch einen Fotographen. Wie es sich für Michael Crichtons Geschichten gehört,  müssen sich seine Protagonisten weiter entwickeln, über den eigenen Schatten stellen und Herausforderungen  annehmen. Bis zum Beginn der Expedition lernt Johnson von einem alten Mann ehrgeizig und sich eigene Ziele setzend das Handwerk der Fotographie, um  während der ersten Etappe der Expedition von Marsh zurück gelassen zu werden. Der sieht in ihm einen Spion seines Rivalen Cope.  Es ist weniger eine Ironie des Schicksals als eine handlungstechnische Konstruktion, das Cope Johnson schließlich selbst engagiert. Auch wenn er gar nicht der Schreckensversion entspricht, die Marsh immer wieder während der ersten Etappe der Reise gezeichnet hat, umgibt auch diesen Wissenschaftler ein charakterlich dunkles Geheimnis. 

Spannungstechnisch vor dem historischen Hintergrund bricht Michael Crichton schließlich verspielt an einer Stelle aus und provoziert  seine Leser, in dem er impliziert, dass der Erzähler während der Expedition ums  Leben gekommen sein könnte.  Diesen roten Faden nimmt er seiner eigenen nicht verlässlichen Vorhersage folgend im mittleren Abschnitt wieder auf, um im abschließenden dritten Teil die subjektive Erzählperspektive ausschließlich auf Johnsons Schultern zu verlagern. Dadurch ignoriert er spannungstechnisch die bisherige Erzählstruktur bestehend aus Tagebucheintragungen, Notizen, wissenschaftlichen Exkursen direkt den Lesern ansprechend und Johnsons in der dritten Person erzählten Erlebnissen.    

In seinem Nachwort geht Michael Crichton nicht nur auf  die historischen Persönlichkeiten ein, er stellt Fakten und Fiktion gegenüber.  Dabei hat er den Machtkampf zwischen den beiden Forschern sogar entschärft und einige Exzesse relativiert. Damit hat er seinem Roman auch ein scharfes Schwert genommen, denn die erste Hälfte des Buches ist deutlich besser als der zweite Teil. 

Hier reduziert der Autor den Plot auf einen klassischen Western mit Zähnen.  Ein Teil der Geschichte spielt in „Deadwood“, inzwischen durch die langlaufende brutale Fernsehserie sehr viel bekannter als in den siebziger Jahren, in denen das Buch entstanden ist.  Crichton schwankt dabei zwischen der Bewunderung  für die früher noch heroisierten „Helden“ wie den geschäftstüchtigen Earps abschließend mit einem Herzen aus Gold oder Wild Bill  Hickock sowie den geschichtlichen Realitäten. Mit Johnson fügt er diesem Geschehen eine fiktive Figur hinzu, der relativ schnell lernen muss, wie hart es wirklich in den Goldgräberstädten zugeht. Aus heutiger Sicht wirken einigen Passagen auch wie eine Erweiterung des Western „Westworld“ Szenarios.  Der Film lief  1973 an.     

Auch wenn der zweite Abschnitt mit der Mannwerdung Johnsons ein wenig stringenter, vielleicht auch weniger exzentrisch erscheint, nimmt Crichton die Besessenheit  vieler Filme aus der Gegenwart vorweg. Mehr und mehr wird der Schutz der Kisten mit den Fossilien für Johnson zu einer Obsession, zu einem Wahn.  Diese Kisten sind sein Weg nach Hause.  Er beschützt sie mit seinem Leben und wenn er schließlich mit Wyatt Earps Ratschlägen sogar zu einem Duell antritt, erreicht der Roman einen fatalistischen, aber auch nachvollziehbaren Höhepunkt.

Crichton zeichnet ein lebendiges Bild dieser Pionierzeit irgendwo zwischen den Narben des Bürgerkriegs und den letzten Indianerkriegen  mit einem abgestimmten, sehr fairen Portrait der Indianer irgendwo zwischen ihr verbliebendes Land verteidigend oder fatalistisch/ stoisch ihre übernommenen Aufgaben erfüllend. Natürlich reihen sich eine Reihe von Actionszenen aneinander, aber insgesamt erzählt Crichton diese Ära aus einer manchmal auch ein wenig augenzwinkernden Perspektive, welcher er eine Scheinauthentizität  schenkt, in dem Johnson in einigen wichtigen Passagen quasi sich selbst aus seinem Tagebuch zitiert.

Hinzu kommt eine interessante vielschichte Zeichnung der Charaktere mit für Crichton selten wenigen dreidimensionalen, den Männern überlegenen Frauenfiguren; den beiden Eckpfeilern mit den konkurrierenden Wissenschaftlern angeführt vom Lügenbaron Marsh, der viel intelligenter ist als er polterig vorgibt und endet mit der Heimkehr des verlorenen Sohns, dessen Tod nicht nur voreilig gewesen ist, sondern ihn abschließend in Schwierigkeiten bringt. 

Vor allem zeigt „Dragon Teeth“ aus der Feder eines souveränen, noch nicht belehrenden jungen Michael Crichton auf, wie interessante Archäologie wirklich sein kann und wie sehr die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit vor allem als Streiter an der Seite des im 19. Jahrhunderts attackierten Darwins allerdings auch vor dem richtigen abenteuerlichen Hintergrund unterhaltend faszinierend kann.    

  • Gebundene Ausgabe: 304 Seiten
  • Verlag: Harpercollins Publishers; Auflage: 01 (1. Juni 2017)
  • Sprache: Englisch
  • ISBN-10: 0008173060
  • ISBN-13: 978-0008173067
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