“The Three Hostages” ist der vierte Roman um Richard Hannay und die erste Geschichte, die nach Ende des Ersten Weltkriegs spielt. Auch wenn John Buchan den Umfang des Texts vor allem im direkten Vergleich zu „Greenmantle“ - politisch das anspruchvollste Buch der ganzen Serie – deutlich zurück gefahren hat, überzeugt die Geschichte durch den Rückgriff auf einen eher typischen Kriminalfall mit mehreren Geißeln, aber einem charismatischen hochintelligenten wie minutiös charakterisierten Antagonisten erst nach einiger Zeit. Interessant ist, dass wenige Jahre vorher Robert Kraft mit Loke Klingsor und Norbert Jacques fünf Jahre vor Buchan in der Person Dr. Mabuses vergleichbare Antagonistin erschaffen haben, die ihre Opfer mittels Hypnose kontrollieren konnten.
Richard Hannay lebt mit seiner Frau und dem kleinen Jungen abgeschieden auf dem Land. Er will nichts mehr mit Politik oder Militär zu tun haben. Mehrere Bekannte aus London versuchen ihn zu überreden, ihnen bei der perfiden Entführung eines jungen Mann und einer jungen Frau zu helfen. Es geht weniger um die Erpressung von Lösegeld, sondern wichtige Staatsinformationen. Erst als ein kleiner Junge im Alter des eigenen Sohnes als dritte Geißel entführt wird, lässt sich Hannay auch durch seine Frau überreden, der Sache nachzugehen.
Aus „Die 39 Stufen“ übernimmt der Autor zuerst die Idee, dass das Verbrechen durch geheime Botschaften verallgemeinert werden soll. Während die verschlüsselte Nachricht in der ersten Hannay Geschichte eher indirekt zum Versteck der Verbrecher führt, dienen die verklausulierten Verse als eine Verhöhnung der Öffentlichkeit in Person der überforderten Behörden, die schließlich sich an den Mann fürs Grobe wenden, obwohl die ganze Serien betrachtend Hannays bester Freund Sandy im Grunde der Mann ist, der mit seinen perfekten Tarnungen, seinen weitreichenden Beziehungen und schließlich seiner fatalistischen Furchtlosigkeit spätestens ab dem zweiten Roman das Ruder in die Hand genommen und im fünften Abenteuer hintergrundtechnisch sogar zum dominierenden Element wird. Die Exposition im vorliegenden Roman ist in dieser Hinsicht ein wenig zu lang und Hannays Reisen zu den einzelnen Orten, an denen er eher bruchstückhafte Informationen einsammeln kann wirken zu bemüht, ohne innere Dynamik und vor allem ohne eine notwendige Spannung aufzubauen, welche sowohl „Die 39 Stufen“ als auch „Greenmantle“ mit ihrer schnell verrinnenden Zeit bis zum Eintreten eines bestimmten Ereignisses so stark beeinflussen sollten.
Am Ende des Romans während des ohne Frage spannenden, aber sehr hektisch geschriebenen Showdowns schließt sich ein Kreis. Er spielt in den Highlands, eine Gegend, die John Buchan so malerisch wie bedrohlich schon während der auch von Hitchcock sehr effektiv inszenierten Verfolgungsjagd während „Der 39 Stufen“ beschrieben hat. Es ist ein würdiges Ende eines Buches, das vor allem weniger von der Verschwörung oder gar den wenigen, aber gut geschriebenen Actionszenen lebt, sondern von einer direkten Konfrontation zwischen Hannay und seinem wie eingangs erwähnt sehr charismatischen wie gefährlichen Gegenspieler.
Es ist auch das erste Mal im Verlaufe der Serie, dass Hannay relativ früh eine Begegnung mit seinem „Feind“ hat. In „Die 39 Stufen“ konnte Hannay nur reagieren, in „Greenmantle“ nahm die Reise in den Nahen Osten sehr viel mehr Raum ein als die finale Konfrontation und im dritten Buch „Mr Standfast“ auf der Suche nach einem gefährlichen deutschen Agenten folgt die Auseinandersetzung erst im zweiten Teil des Buches und besteht aus einem eher klassischen Schlagabtausch.
Im Gegensatz zu diesen drei bisherigen Romanen versucht John Buchan in „The Three Hostages“ teilweise einen anderen Weg zu gehen. Schon in „Mr. Standfast” musste sich Hannay als Pazifist während des Ersten Weltkriegs ausgeben und damit für seine Rolle Hohn und Spott seines Umfelds riskieren. Im vorliegenden Buch geht der Autor noch einen Schritt weiter.
Wobei er das Thema ambivalent anspricht. Wie im vorangegangenen Buch muss Hannay untertauchen und gegen die örtliche Polizei arbeiten, die aber bei den drei Entführungen im Grunde nur Geleit steht. Anfänglich fällt Hannay unter den Bann seines Gegenspielers, der hinter den Entführungen steht. Einige Jahre vor Barrymores „Svengali“ entwickelt John Buchan aber eine vielschichtige Figur, die im Verlaufe des Buches immer wieder viel zu kurz kommt. Unglaubwürdig erscheint, dass Hannay alleine durch seine Dickköpfigkeit den magischen Bann der Hypnose durchbrechen und sich in einem wichtigen Moment wieder befreien kann. Konstruiert erscheint, dass der Hypnotiseur diese Befreiung nicht merkt und weiterhin davon ausgeht, dass Hannay unter seiner kompletten Kontrolle steht. Hannay kann dadurch dem Versteck näher kommen, wobei in den folgenden Abschnitten Buchan eine interessante logistische Schwierigkeit einbaut, die der Autor am Ende des Textes aber wieder relativiert. Alle drei Geißeln müssen im Grunde zeitgleich gerettet werden, um weitere Risiken abzuwenden.
Anstatt aber solide Spannung aufzubauen und die Protagonisten agieren zu lassen, leiden diese Kapitel unter einem schleppenden Aufbau und vor allem dem ungewöhnlichen Fakt, dass der hypnotisierte wie jetzt befreite Hannay mit dem Leser spricht und aus der Ich- Perspektive den Fall zusammenzusetzen sucht.
Mit der finalen Auseinandersetzung inklusiv des dramaturgisch notwendigen, aber auch nicht abschließend originellen Endes zieht das Tempo wieder an und John Buchan löst sich buchstäblich aus dem Korsett, in das er seinen Plot gezwängt hat.
Absichtlich hat der Autor diese Kapitel auch als eine Art Epilog angelegt, da die Mission wenig originell, aber pragmatisch abgeschlossen worden ist und nur die Bestrafung des charismatischen, von John Buchan aber zu wenig effektiv genutzten Schurken im Mittelpunkt der Handlung steht.
„The Three Hostages“ weist unabhängig von den Längen im mittleren Abschnitt noch weitere Schwächen auf. Die Exposition ist zu lang und der Leser wird keine Sekunde zweifeln, dass Hannay den Auftrag auch wider Willen übernimmt. Sein Zieren ist daher nur Fassade. Die ersten Ermittlungsschritte basieren auf dem Faktor Hörensagen als eher schwache Basis und die Idee von den Versen wird abschließend aus dem Nichts heraus wieder aufgegriffen, wobei vor allem den heutigen Lesern die Hintergründe noch ausführlicher erläutert werden müssen als der Nachkriegsgeneration.
Zusammengefasst ist „The Three Hostages“ der schwächste der fünf richtigen Hannay Romane. Der Plot ist auch nicht so interessant wie bei einem sechsten Buch, in dem Hannay das ganze Geschehen erzählt wird und der Held nur im Rahmen auftritt. Es ist aber aufgrund des Antagonisten und einiger interessanter Wendungen über klassische Entführungsgeschichten hinaus trotzdem, ein wichtiger Bestandteil dieser frühen Abenteuerserie, der zumindest für das britische Fernsehen auch verfilmt worden ist.
- Format: Kindle Edition
- Dateigröße: 3056 KB
- Seitenzahl der Print-Ausgabe: 325 Seiten
- Verlag: e-artnow; Auflage: 2 (25. März 2016)
- Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
- Sprache: Englisch
- ASIN: B01DMGQO6M