Heliosphere 2265- Band 7 "Getrennte Wege"

Andreas Suchanek

Andreas Suchanek spricht in seinem Nachwort von einer Art Übergangsroman, welchen der abschließende Teil des ersten Zweiteilers seiner „Heliosphere 2265“ Serie darstellen soll. Diese Aussage ist nur bedingt richtig. Auf der einen Seite konzentriert sich der Autor intensiv auf die letzten wichtigen Puzzlestücke in Form der „HYPERION“ Crew, ihrer sorgfältig, vielleicht sogar zu sorgfältigen Auswahl und ihren Geheimnissen, die spätestens in einer sehr guten Offiziersrunde, in der eine bestürzende Ehrlichkeit vorherrscht, auf den Tisch kommen. Nicht nur die Leser werden angesichts einiger Fakten überrascht, in erster Linie Cross und seine Mitstreiter. In dieser Hinsicht ist der vorliegende Roman ohne Frage eine Geschichte zum Durchatmen, bevor mit dem achten Band ein gänzlich neuer interner Spannungsbogen – die „Hyperion“ hat die Fronten gewechselt und soll zusammen mit der Besatzung für Kommandounternehmen eingesetzt werden – beginnt.

Auf der anderen Seite – und den Vorwurf muss sich Autor leider auch gefallen lassen- hat Andreas Suchanek einen harteb Cliffhangar am Ende von „Die Bürde des Captains“ präsentiert, den er nicht gänzlich zufrieden stellend auflöst. Er lässt sich zahlreiche Optionen offen. In seinem Nachwort erwähnt er, dass kein Protagonist wirklich sicher ist und angesichts der zahlreichen Gefahren jeder sterblich und damit ersetzbar ist. Auf der anderen Seite wollte der Autor nicht schon im sechsten Roman und dann auch noch zweimal mit dem großen Sterben beginnen. Diese Einstellung ist löblich, auch wenn er seine Leser zweimal vor eine schwierige Entscheidung gestellt hat. Und das ist angesichts der Kürze und Dynamik der vorliegenden Romane einmal zu viel. Mit dem nicht aufgelösten Cliffhangar einher geht der Abschluss der „inneren Spannungen“ Handlung, die schließlich in verschiedenen Gewaltsamen auseinandersetzen gipfeln. Von Meutereien kann genauso wenig gesprochen werden wie von Revolutionen, da die einzelnen Positionen sich während der Gefechte verschieben. Zwar rebellieren Sjöbergs „Spione“ gegen Cross Anweisungen und damit indirekt gegen die Selbstmordmission, aber die loyalen Kräfte auf der Seite des Captains sind genauso wie der Leser noch gar nicht in der Lage, hinter eine Front, geschweige denn ein Gestrüpp von Verwinkelungen zu schauen. In dieser Hinsicht kann der Autor auf der einen Seite Spannung aufbauen und einige Nebenfiguren auf beiden Seiten teilweise ein wenig melodramatisch sterben lassen, auf der anderen Seite treibt er die Haupthandlung nur bedingt voran. Die Actionszenen sind wie bei allen Romanen dieser Serie überzeugend und intensiv beschrieben.

Hinzu kommen aber zwei mehr oder minder lesenswerte Aspekte. Da wäre zum einen nicht das Scheitern der eigentlichen Selbstmordmission in letzter Minute, sondern im Grunde eine Art Pyrrhussieg, den Sjöberg als Oberbefehlshaber der irdischen Flotte mangels Informationen gar nicht einschätzen kann. Auf der anderen Seite ahnt ein aufmerksamer Leser, wie die „Hyperion“ aus dieser im Kern aussichtslosen Situation nur gerettet werden kann. Das Manöver ist spektakulär und interessant beschrieben, es überrascht aber zu wenig. Mit dem Ende des vorliegenden Bandes sind die Fronten zumindest für die „Hyperion“ erst einmal geklärt. Viele Geheimnisse wirken aufgeklärt, die Hintergründe der meisten Besatzungsmitglieder erklärt und der fliegende Schrotthaufen „Hyperion“ kann und muss zeitnah repariert werden, da sie immer noch das einzige Interlink Raumschiff darstellt. Auch Captain Cross hat seinen “Frieden” gefunden und sich zwar nicht gegen die Menschheit verschworen, aber zumindest mit Sjöberg einen persönlichen Feind, den er ins Visier nehmen kann. Durchatmen für wenige Seite ist angesagt. Der Zweiteiler ist gut und packend abgeschlossen worden. Auf jede beantwortete Frage kommt impliziert ein neues Problem zu, aber diese werden sich erst in den nächsten Romanen nachhaltiger offenbaren.

Zu den schwächeren Teilen des Romans gehört neben dem ersten Epilog die zweite Handlungsebene auf dem Gefängnisplaneten. Auch diese endet mit einem kleinen Cliffhangar und wieder einer verborgenen Identität, aber hier baut Andreas Suchanek eine zu starke „Rüstung“ auf und die indizierten Entdeckungen wirken zu passend für diesen Spannungsbogen.

Im Epilog schwenkt der Bogen zu einer eher zweifelnden  Sarah McCall. Bislang hat sie immer ein oder zwei Schritte vorausgedacht und die entsprechenden Vorkehrungen insbesondere auch zum Wohle Cross getätigt. Warum sie plötzlich von einem wichtigen Informationfluß abgeschnitten zu sein scheint wirkt genauso unglaubwürdig wie die Andeutung, das auch Sjöbergs „wieder auferstandene“ Frau im Grunde nur ein Wolfs in Schafspelz ist. Eine weitere Option in einem immer am Rande der Verwirrung dahin eilenden sich kontinuierlich ändernden Komplott. Andreas Suchanek will die Spannung ohne Frage für die nächsten Roman hochhalten, aber in den intensiven Hintergrundbetrachtungen der „Hyperion“ Crew und ihrer nicht immer leichten Schicksale baut der Autor sehr viel mehr Spannung und Interesse im Leser auf als mit diesen ominösen und nicht immer hintergründen Prophezeiungen.  Wie in den letzten Romanen bemüht sich Andreas Suchanek, die Intiative auf möglichst viele Schultern zu legen. Alleine die Idee, das der emotionslose Alpha durch den Verzicht auf Medikament wieder „menschlicher“ wird, dafür aber auf der anderen Seite nicht mehr ferngesteuert werden kann, wirkt wie eine Mischung aus bekannten Facetten verschiedener Romane. Gut tut der Serie, dass Captain Cross im Grunde bis auf die Einberufung einer Offizierssitzung nichts aktiv zu tun hat und das ihm von der ersten Seite an die Hände in mehrfacher Hinsicht im Schiff und außerhalb durch die schweren Schäden gebunden sind. Diese Passivität; dieser Verzicht, ihn in den unmittelbaren Mittelpunkt der Ereignisse zu stellen, tut dem Roman an sich und der ganzen Serie sehr gut.   

Im Vergleich zu einem der besten Romane der bisherigen „Heliosphere 2265“ Serie „Die Bürde des Captains“ fällt „Die Opfer der Entscheidung“ deutlicher ab es als es sich der Autor selbst wünscht. Das liegt zum einen ohne Frage an der notwendigen Schwierigkeiten, die leichter aufzubauenden als zu lösenden Konfliktherde zu glätten und den Handlungsfluss wieder zu begradigen, um wie schon angesprochen im nächsten Roman mit einer neuen Ideenebene – Cross als Rebell und „Dienstbote“ – durchzustarten. Zum anderen liegt die Schwäche des Romans auch in der Eindimensionalität seiner Antagonisten, die mit ihren exzentrischen emotionalen Ausbrüchen und ihrer Propaganda nicht wirklich ernst zu nehmen sind.  Es sind ohne Frage Opfer zu beklagen und deren Schicksale nicht selten von einem verzweifelten Heldenmut bestimmt sind tragisch, aber sie wirken angesichts des zu stark konstruierten Überbaus zu wenig tragisch, zu wenig emotional beklemmend. Dieser Spagat zwischen Spannung und Emotionalität gelang Andreas Suchanek fast perfekt im ersten Teil des Zweiteilers, so dass durch den Verzicht, die Spannungsschraube noch weiter anzuziehen „Die Opfer der Entscheidung“ unter den teilweise ein wenig zu stark konstruierten und zu sehr mittels des Faktors Zufall geschuldeten an allen Fronten ablaufenden Ereignissen eher leidet. 

 

 

 

Cover: Arndt Drechsler, Innenillustrationen: Anja Dreher)

E-Book (108 Seiten), 2,49 Euro
Taschenbuch (2 Romane, ca. 250 Seiten), 9,90 Euro