Dirk van den Booms beste Science Fiction Arbeiten bestanden aus einer interessanten, vor allem auch fundierten Mischung aus durchaus abenteuerlicher SF mit einem politisch soziologischen Hintergrund, den der in Saarbrücken lebende Autor auch durch seinen Hauptberuf als Berater im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit sowie als Professor für Politikwissenschaft mit Fakten untermauern konnte. Nicht nur in einer der letzten "Rettungskreuzer Ikarus" Trilogien, sondern auch in den Daxxel Büchern hat der Saarbrücker den Klischees des Genres widersprochen und sie als nachdenklich stimmendes Sprungbrett für weiterreichende Extrapolationen genutzt.
Auch die bei Cross Cult Verlag erscheinende Trilogie "Die Welten der Skiir" reiht sich in diesen Bereich seines Werkes ein. Die drei Untertitel der Serie Prinzipat, Protektorat und schließlich Patronat vereinen die drei Grundfesten, auf die Skiir seit vielen Jahrtausenden ihr Imperium zumindest vordergründig aufgebaut haben. Denn nicht selten wir die herrschende Ordnung in Dirk van den Booms Romanen zeitgleich mit der laufenden Handlung wenigstens durcheinandergebracht, wenn nicht sogar erschüttert. Vom Spektrum her ist die vorliegende Trilogie sein bislang umfassenste Arbeit, wobei sich vor allem im Verlaufe des ersten Buches nach einem ausgesprochen disziplinierten stilistischen Vorgehens gegen Ende die typischen, nicht unsympathischen, den dunklen Inhalt der Serie aber unterminierenden Floskeln Dirk van den Booms wieder einschleichen.
Der Ausgangspunkt ist interessant. Vor zweihundert Jahren haben die insektenartigen Skiir die Erde erobert und zwangskolonisiert. Nicht nur die Erde ist seit vielen Jahrtausenden von den Skiir besetzt worden. Die Skiir gehen dabei immer gleich vor. Die eroberten Welten werden isoliert. Eine Blockadeflotte sperrt den Weltraum um die bewohnten Welten für eine nicht unbedingt festgelegte, aber durchschnittlich zweihundert Jahre umfassende Zeit. Dem Widerstand - auf der Erde spricht Dirk van den Boom den Widerstand erst relativ spät im vorliegenden Buch an - geht in dieser Phase quasi dfie Luft aus, da es keine Gewaltaktionen der Angreifer gibt. Nur die Expansion ins All wird unterbunden. Auf der Erde halten sich Skiir als Beobachter auf.
Nach dieser Prüfungsphase werden die einzelnen Völker gereift in den Bund der Skiir aufgenommen und sollen dann vom Wohlstand der Gemeinschaft auch durch entsprechende wirtschaftliche Verbindungen profitieren. Die Menschen schicken auch in Vorbereitung auf die Aufhebung der Isolation sowie Teilnahme den parlamentarischen Sitzungen des Imperiums eine kleine Delegation zu den Skiir. Dirk van den Boom nimmt sich die Zeit und den inhaltlichen Raum, nicht nur die einzelnen Teilnehmer vorzustellen, sondern baut spannungstechnisch sogar einen Mord als roten Faden mit in die Handlung ein. Eines der ausgesuchten Mitglieder wird noch auf der Erde vor der Abreise ermordet und wird durch einen Freund ersetzt, der durch diesen Tausch automatisch auch zu einem der Hauptverdächtigen wird.
Der Roman zerfällt positiv in zwei sehr unterschiedliche Bereiche. Wie Propaganda entwickelt Dirk van den Boom absichtlich plakativ das Imperium der Skiir. Der Leser kann zwar an der Seite der Menschen ein wenig hinter die Kulissen schauen, aber die Perspektive wird im Verlaufe des Plots immer verzerrter und die Skiir erweisen sich mit ihrer Vorgehensweise nicht als die positiven Leuchtfeuer in einem Meer des Chaos, sondern sind vor allem an der Festigung ihrer Macht auch mit unlauteren Mitteln interessant. Im direkten Vergleich zu seinen anderen bei Atlantis veröffentlichten Romanen entwickelt Dirk van den Boom das Szenario eher während die Handlung mit einem soliden nicht immer sehr hohen Tempo voranschreitet weiter und verzichtet auf langatmige Beschreibungen. Vor allem bei den "Rettungskreuzer Ikarus" Romanen des Weges hat der Autor dagegen sehr viel mehr Wert gelegt, viele Fakten manchmal auch ein wenig langatmig zu erläutern und entsprechende soziale Pfosten einzuschlagen, die er dann im abschließenden dritten Roman teilweise brachial aus dem imaginären Erdrreich gerissen hat. Die "Welten der Skiir" erscheinen noch ambivalent und werden vor allem über die Charaktere/ Wesen definiert. Das liegt vielleicht auch daran, dass selbst der "Sitzungssaal" mehr eine symbolische Wirkung ausstrahlt. Immer wieder werden die drei Eckpfeiler der Skiirs beschrieen und weniger beschrieben, aber eine echte Funktionalität lässt sich in der bisherigen Form nicht erkennen, weil auch gleich Kräfte hinter den Kulissen an ihrer Machtausweitung fast in Anlehnung an die "Star Wars" Trilogie arbeiten. Das Reich der Skiir wirkt fast wie das Imperium mit einer parlamentarischen Farce und brutalen Kräften, die ganze Völker zum perfiden Aussterben verurteilen. Ohne Frage einer der Höhepunkte des Plots.
Auf der anderen Seite muss Dirk van den Boom sehr viele für den Leser neue Charaktere nicht nur einführen, sondern auch steuern.
Das gelingt ihm ausgesprochen souverän. Die Hintergründe entwickelt er nicht selten wie für ein komplexes Puzzle, in dem einzelne Facetten wie beim nicht zuletzt durch eine "Alien" Begegnung der dritten Art geschockten irdischen Botschafter erst rückblickend erkennbar werden.Schlüssel bei ihm ist die Vergangenheit des Vaters, der kurz nach dem Abflug des Sohns stirbt. In der Vergangenheit hat er einen guten Kontakt zu einem der wichtigsten Vertreter des menschlichen Widerstands gehabt und seinem Sohn einen Schlüssel hinterlassen, dessen Bedeutung angesichts des implizierten Interesses wahrscheinlich erst in den beiden Folgeromanen buchstäblich aufgeschlüsselt werden wird. Oder die Sekretärin des Botschafter Bixa Li, die weiterhin Mitglied des Widerstands gegen die Skiir ist und jetzt aus deren zumindest vordergründiger Machtzentrale heraus "agieren" kann. Die Begleiterin des Botschafters Yolana ist das genaue Gegenteil der Sekretärin, auch wenn diese beiden Frauenfiguren zu wenig gemeinsame Szenen inklusiv entsprechender Konflikte haben. Yolana ist eine von Dirk van den Boom als Indoktrinatorin bezeichnete Anhängern der Skiir, die in ihnen weniger Eroberer als die Rückkehr der Götter sieht. Das menschliche Team wird wie eingangs erwähnt durch den Wissenschaftler Lybold abgerundet, der nur aufgrund des Mordes an seinem Freund in letzter Sekunde in diese Gruppe hineingerutscht ist. Immer wieder greift Dirk van den Boom den Kriminalplot in Form von mehr oder minder direkten Ermittlungen auf, auch wenn diesem Handlungsbogen die Dynamik fehlt.
Bis auf einige kleinere Exzesse charakterisiert Dirk van den Boom seine Figuren nicht nur dreidimensional, sondern vor allem auch ernsthaft. Die leichten Klamaukszenen inklusiv einer Reihe von mehr oder minder makaberen Witzen oder sexuellen Anspielungen seiner anderen Romane sind positiv ausgesprochen seltenm eingestreut worden.
Auf der anderen Seite wirken viele seiner Außerirdischen und ihre Handlungsweisen immer noch zu menschlich. Die sich entwickelnden Ränkespiele sind gut nachvollziehbar, auch wenn bis auf die besondere Bestimmung der Erde aufgrund eines Signals eher wie ein Klischee erscheint, weil der Leser die bislang offenbarten Motive der Fremden gleich erkennen kann. Ein wenig mehr Exotik, ein wenig mehr Verfremdung hätte vor allem dem soliden, aber auch ein wenig schwatzhaften Mittelteil des Buches ausgesprochen gut getan. Die Intrigen - natürlich beginnend mit der Aufnahme der Erde - sind nicht unbedingt neu oder innovativ. Dirk van den Boom bewegt sich auf einem sehr schmalen Grat. Die Actionszenen müssen dynamisch sein, auf der anderen Seite muss er ein geheimnisvolles, nach außen strahlendes, tief in seinem Inneren dunkles Imperium entwickeln. Ob er sich mit der gigantischen Wunderwaffe, die Welten vernichten kann und deren Besatzung eine besondere Mission hat, die sich schnell als Bumerang erweist, einen Gefallen getan hat, muss sich noch erweisen. Technisch ragt das Raumschiff zu sehr aus dem beschriebenen Arsenal der Skiir und ihrer Welten heraus, so dass eine Art "Todesstern" Effekt erzielt wird, der spannungstechnisch sich negativ auf den Roman auswirkt. Der Plan, eines der ältesten assimilierten Völker des Skiir Imperiums und gleichzeitig der Pate der Menschheit zu "opfern" und zum Aussterben zu verurteilen, ist perfide und brutal. Dirk van den Boom will hier in der Theorie einen interessanten Weg gehen, setzt ihn aber in der inhaltlichen Praxis seines Romans viel zu sperrig, zu negativ herausragend und vor allem zu viele zu offensichtliche Fragen aufwerfend. Dirk van den Boom dupliziert die Szene während des soliden Showdowns bis auf den finalen Schuss.
"Die Welten der Skiir Prinzipat" ist einer der besten Dirk van den Boom Romane der letzten Jahre. Wahrscheinlich für einen neuen Verlag deutlich disziplinierter und ambitionierter entwickelt liegen die Stärken des Buches in der differenzierten Zeichnung vor allem der menschlichen Charaktere und einem herausfordernden, noch weiter ausbaufähigen Hintergrund mit der seltsamen Entwicklungspolitik, welche die Skiir betreiben, während zu den inhaltlichen Schwächen ein insbesondere gegen Ende spürbarer Hang zu Versatzstücken gehört.
- Taschenbuch: 450 Seiten
- Verlag: Cross Cult (19. September 2016)
- Sprache: Deutsch
- ISBN-10: 3864258677
- ISBN-13: 978-3864258671