Dan Cooper Gesamtausgabe Band 6

Dan Cooper Gesamtausgabe Band 6, Titelbild, Rezension
Albert Weinberg

Im Vorwort weisen die Herausgeber der „Splitter“ Gesamtausgabe schon auf die Veränderungen hin. Albert Weinberg passte sich dem Zeitgeist an. Beginnend mit der Flower Power Fan Gemeinde, die Dan Cooper als zukünftigen Superstar bei seiner Ankunft in Kanade erwartet, über die attraktive Journalistin im Minirock und mit Doppelleben bis zu einer eher platonischen Freundschaft mit einer finnischen Schönheit. Die Männergemeinde wird bunter und damit auch indirekt erotischer. Hinzu kommt durch die hier gesammelten vier Alben nicht nur ein Aufbrechen der erzähltechnisch starren Traditionen, sondern die Nutzung expressiver Farbgestaltung, um vor allem die dramaturgisch wichtigen Szenen zu unterstreichen.

In der Einführung geht es vor allem um das Aufbrechen der publizistischen Traditionen. Nicht nur die „Tintin“ Magazinveröffentlichungen in mehreren Teilen sind wichtig, sondern vor allem auch die anschließenden Albenpublikationen oder neu Kurzgeschichten in Taschenbuchsammelbänden.

Insgesamt zwölf „Dan Cooper“ Kurzgeschichten hat Weinberg für die Taschenbücher ergänzend zu den Alben verfasst. Der sechste Sammelband beginnt folgerichtig auch mit der ersten dieser knapp zwanzig Seiten umfassenden Texte, die abwechselnd noch in schwarzweiß und Farbe abgedruckt worden sind. „Piraten auf 2 Uhr“  ist eine auf die Pointe ausgelegte Geschichte. Bei einem Patrouillenflug sehen Dan Cooper und seine Kollegen, das ein Transportflugzeug abgestürzt. Anscheinend ist es von einigen Jägern abgeschossen worden. Sie verfolgen die tollkühn fliehenden Maschinen. Am Ende stellt sich heraus, dass Dan Cooper - aus seiner Sicht allerdings vollkommen berechtigt – das Geschehen in den falschen Hals bekommen hat. Er kann seinen „Fehler“ am Ende gut machen. Der Plot basiert auf einigen zufälligen Konstruktionen, die eher unwahrscheinlich und vor allem unrealistisch erscheinen, so dass die ganze Episode nicht wirklich zufrieden stellend funktioniert.

 „Die Männer mit den goldenen Flügeln“ nimmt den Faden der Kunstfliegerstaffeln wieder auf. Die auch in der Realität stattfindende Weltausstellung in Montreal sowie die Gründung einer extra dafür von der kanadischen Luftwaffe ausgehobenen Kunstfliegerstaffel haben Weinberg zu dieser vor allem technisch überzeugend inszenierten Geschichte inspiriert. Da der Anführer der kanadischen Staffel sich den Arm gebrochen hat und sein Stellvertreter vor kurzer Zeit bei einem Absturz ums Leben gekommen ist, wird Dan Cooper zum Anführer der Staffel ernannt. Im Gegensatz zu den Exilkanadiern in der früheren in Frankreich spielenden Geschichte wird Dan Cooper schnell von der Truppe aufgenommen. Die großen Kontrahenten sind die „Black Jets“. Es handelt sich um vier Piloten, die immer mit einem geschlossenen Visier in die Öffentlichkeit treten, um ihre Identitäten zu verbergen. Bei einem der Piloten handelt es sich aber unzweifelhaft um eine Frau. Ihre Maschinen sind den verschiedenen Flugzeugen der Kanadier überlegen. Albert Weinberg hat sie als schwarze Senkrechtstarter mit einem klobigen, an die späteren Tornados der Europäer erinnernden Äußeren gezeichnet, die aber von den Flugeigenschaften her fast futuristisch erscheinen. Die Kanadier können in diesem Wettstreit eher durch Einfallsreichtum und Verspieltheit punkten.

Die Geschichte ist sehr stringent. Die einzelnen artistischen Flugszenen originell und sich von der vorangegangenen Story deutlich unterscheidet gezeichnet worden, wobei Weinberg auf die eher kindischen Humor der frühen Alben verzichtet und bis zum ein wenig zu pathetisch kitschigen Happy End eine abenteuerliche Story entwickelt, in deren Mittelpunkt der besondere Zusammenhalt in beiden Flugteam steht, wobei die „Black Jets“ einen Manager haben, der eher an die dunklen Exzesse Hollywoods erinnert.  

 In zwei – „S.O.S. im Weltraum“ und „Die verschollenen Piloten“ – der hier gesammelten Alben spielt Weinberg wieder mit Science Fiction Elementen, während das dazwischen veröffentlichte Album „Der Himmel über Norwegen“ eher eine klassische Fliegergeschichte ist. Dan Cooper wird in „Der Himmel über Norwegen“ wieder nach Europa und zu seiner ersten Kunstfliegerstaffel versetzt. Er versucht natürlich erfolgreich einen Höhenrekord zu brechen, bevor er nach Norwegen versetzt wird. Hier verliebt sich eine blonde und blauäuige Norwegerin in ihn. Im Mittelpunkt stehen aber neben einer Reihe von Einsätzen entlang der Küste das Tagelange Überleben auf der rauen Nordsee, nachdem das Flugzeug mit der schönen Blondine über dem Wasser abgestürzt ist. Es ist eine geradlinige Abenteuergeschichte, in der neben dem Auftreten von Racker und einigen Nebenfiguren vor allem der heroische Kampf zwischen dem Flieger und der Natur im Mittelpunkt der Handlung steht. Aber nicht nur Racker in dieser Geschichte, sondern auch das neue Maskottchen der Fliegerstaffel „The Tigers“ in „Die verschollenen Piloten“, sowie der Sohn eines der Piloten unterstreichen, das Weinberg die gänzlich ernsten Abenteuer wieder abgelegt hat und auf ein jugendliches Publikum zu zielen beginnt. Als Mittelteil zwischen den beiden Science Fiction Abenteuern steht dieses Album aber noch in ganz anderer Versatzstücketraditionen, ohne wirklich schlecht zu sein. Am Ende retten die Einheimischen die Piloten vor einem Tod in den unwirtlichen norwegischen Landschaften. Am Ende von „S.O.S im Weltraum“ sind es die Nachkommen der Mayas, die ebenfalls pragmatisch auf die Natur vertrauend zwei Männer vor einem seltsamen, auch wenig erklärten Tod retten.

Die komödiantischen Elemente sind schon angesprochen worden. Die Rückkehr zur Kunstfliegerstaffel ist nur ein kurzes Vergnügen und zum ersten Mal nimmt Albert Weinberg auch den Faden auf, das sich Dan Cooper mehr und mehr hin und her geschoben fühlt. Auch in „S.O.S. im Weltraum“ beginnt die Handlung mit einem Absturz. Dan Cooper findet eine seltsame Raumfahrtkapsel mit einem Toten an Bord, dessen Hautfarbe blau ist. Ansonsten ist er ein Mensch. Es passt in das Handlungsschema, das Dan Cooper gerade in diesem Augenblick seine Ausbildung als Raumfahrer an Cap Kennedy fortsetzen soll, die so rüde durch die Attacken der „feindlichen“ Froschmänner in einer früheren Geschichten abgebrochen worden ist.  Dan Cooper und sein Freund werden ins All geschossen, wo sie weiteren seltsamen Kapseln begegnen. Auch in dieser Geschichte vergisst Weinberg offenbar, dass in einem der ersten Alben Dan Cooper sogar zum Mars geflogen ist und sich an Bord einer geheimen, aus Brasilien operierenden Raumstation aufgehalten hat. In den Trümmern finden sie weitere blaue Männer. Alles Hinweise auf mögliche Außerirdische, denn die Leichen haben sechs Finger. Mit der Idee von UFOS hat Albert Weinberg ebenfalls in einer früheren Geschichte herumgespielt, ohne wie im vorliegenden Album eine abschließende Antwort zu liefern. Diese Ambivalenz wirkt ein wenig frustrierend, zumal viele gute Ideen in der Kürze des Plots förmlich untergehen. Das Ende mit der Verfolgungsjagd durch den Dschungel in Borneo und das abschließende Happy End erscheinen hektisch. Dabei gehört die erste Hälfte der Geschichte zu den besten Plots, die Weinberg bisher entwickelt hat.

 Ebenfalls mit einem Phänomen einer „unheimlichen Begegnung der Dritten Art“ spielt der Autor und Zeichner im abschließenden vierten Teil dieser sechsten Sammelausgabe: „Die verschollenen Piloten“. Dan Cooper und sein Freund verschwinden aus unerklärlicher Ursache drei Tage vom Radar. Sie können sich an nichts erinnern. Sie wissen nur noch, dass sie neben einem abgestürzten Flugzeug – ein gängiges Motiv – gelandet sind. Anstatt den Plot aber in diese Richtung weiterzuentwickeln, dreht Weinberg das Szenario anschließend einmal um die eigene Achse und präsentiert wieder ein bekanntes Plotelement, das er so gerne in den ersten Alben hergenommen hat. Die Auflösung erscheint hektisch und ein wenig dem Zufall geschuldet, zumal einige angesprochene komische und weniger kosmische Ideen eine wichtige Rolle spielen. Es ist schade, dass der Belgier die Ideen nicht bis zum Ende in der phantastischen Ebene weiterentwickelt hat, zumal nach der Begegnung mit den UFOs in Elsass Lothringen oder den blauen Männern im All endlich einmal Story fällig gewesen wäre, an deren Ende tatsächlich einige der angedeuteten Phänomene erklärt worden wären.

 Trotz der inzwischen bekannten Versatzstücke und der Rückkehr zu einem nicht immer erwachsenen Humor überzeugen alle vier Alben dieses Sammelbandes auf ihre jeweils individuelle Art und Weise. Dan Cooper ist ohne Frage Erwachsener geworden. Natürlich ist er weiterhin der beste Flieger, über den die kanadische Luftwaffe verfügt. Natürlich gehört das kanadische Militär meistens impliziert zu den technisch hochgerüsteten Verteidigungskräften des ganzen Globus. Wenn Dan Cooper wie am Ende von „Die verschollenen Piloten“ einmal die Waffen sprechen lässt, dann gibt es wegen einer kleinen Verzögerung keine Opfer. Die Feinde können aus ihren Fahrzeugen fliehen, auch wenn die Struktur dieses Angriffs sehr fatal an die „Zweiter Weltkrieg“ Comics erinnert, die auch in den sechziger und siebziger Jahren immer wieder erschienen sind.

 Kameradschaft wird weiter groß geschrieben. Dabei werden auch attraktive Frauen als Kameraden und weniger als Sexobjekte gesehen. Wenn Dan Cooper der attraktiven Norwegerin mehr als freundschaftliche Gefühle entgegenbringt, werden diese eher impliziert als wirklich ausgebrochen. Ein Herzensbrecher ist Dan Cooper nicht.  Er reist eher hektisch als der Vertreter der kanadischen Luftwaffe um die Welt und erreicht vielleicht auch ein wenig selbstironisch in der ersten der vier hier gesammelten Geschichten sogar das Image eines Popstars. Eine Idee, die Albert Weinberg in den anschließenden Storys allerdings nicht wiederholt.  

 Die Bildfolgen sind weniger statisch, die Hintergrundzeichnungen noch realistischer und Weinberg ist inzwischen so routiniert, das Tempo in den einzelnen Episoden zu variieren und konsequent bis zu einer Abfolge von Höhepunkten zu entwickeln, dass es eine Freude ist, die Folgen noch einmal zu lesen. Auch wenn im Gegensatz zum Titelbild der „Zack“ Ausgabe von „Der Himmel über Norwegen“ („SOS im Eismeer“ genannt) kein Borstenwal den Piloten zu Leibe rückt.

 Neben der gut bebilderten Ausführung überzeugen die verschiedenen zwischen die Alben gesetzten Titelbilder anderssprachiger Ausgaben; das leicht vergrößerte Nachdruckformat der Taschenbuchausgabe und schließlich die minutiösen Zeichnungen, die Weinberg seinen Fans auf Comiccons unermüdlich zeichnete.         

  • Gebundene Ausgabe: 208 Seiten
  • Verlag: Splitter-Verlag; Auflage: 1 (1. März 2017)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3958393470
  • ISBN-13: 978-3958393479
  • Originaltitel: Dan Cooper
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