Odds On

Odds on, Rezension, Titelbild
John Lange (alias Michael Crichton)

"Odds On" ist wahrscheinlich der Roman unter den acht John Lange alias Michael Crichton Büchern, das aus verschiedenen Teilen zusammengesetzt worden ist. Ein gutes Drittel des Buches besteht aus Soft Sex Material. Crichton ist niemals ein Autor gewesen, der eine erotische Spannung erzeugen konnte. Nicht selten wirkten seine Bücher auf der intellektuellen inhaltlichen Ebene überdurchschnittlich, während die zwischenmenschlichen Beziehungen steif erschienen. Bei den erotischen Szenen des Romans geht der Amerikaner auch eher mechanisch vor und arbeitet eine Art Setzliste ab. Neben der angeblich fridigen jungen Erbin, die auf schmierige Männer abseits ihres langweiligen Freundes steht findet sich die Nymphomanin; eine achtzig Jahre alte reiche Dame, die es faustdick hinter den Ohren hat; die Angestellte des Luxushotels, die nicht mehr verletzt werden möchte sowie impliziert auch eine Freizeitprostituierte. Nicht selten wirken die Szenen aus dem Zusammenhang der Spannungsbögen gerissen und lassen den Roman älter und schmieriger erscheinen als er in Wirklichkeit ist.

 Die Idee ist einfach und erinnert an die Romane/ Films eines Eric Amblers ("Topkapi") oder auch an "Riffifi". Nur wie es sich für Michael Crichton gehört mit einer besonderen Note. Drei Männer wollen ein Hotel ausrauben. Es ist ein Luxusresort, das auf einer kleinen Insel in Spanien liegt. Der Leser muss sich vorstellen, dass zu dieser Zeit Spanien noch unter der Diktatur Francos stand und Verbrechen deutlich härter bestraft worden sind als es heute der Fall ist. In dieser Hinsicht erinnert die Ausgangslage an Amblers "Topkapi", der ja in Instambul spielt. In diesem Hotel trifft sich nicht nur die dekadente wie reiche spannische Elite, sondern viele Ausländer verbringen ihren Urlaub da. Der Coup der drei Männer ist aber minutiös geplant. Nicht von einem Berufsverbrecher, sondern als innovative Idee von einem Computer. Da der Roman Mitte der sechziger Jahre entstanden ist, dürfte es sich um eine neuartige, innovative Idee handeln. Die aus heutiger Sicht gigantische IBM Maschine hat den Plan nicht entwickelt. Das stellt Crichton dank seiner Figuren gleich klar. Sie hat die Idee aufgenommen und extrapoliert. Dazu alle Alternativen ausgerechnet und Schwachstellen aufgezeigt. Aber der Computer begleitet nur die drei Verbrecher. 

 Das Titelbild suggeriert, dass die Verbrecher inklusiv des Computers ein Element nicht berücksichtigt haben. Die attraktiven wie willigen Frauen. Am Ende des Romans wird sich noch ein Aspekt herausstellen, den der Computer wahrscheinlich bei einer umfassenden Dateneingabe auch berücksichtigt, aber als kleinste Wahrscheinlichkeit angedeutet hätte. Ohne zu viel zu verraten ist es nachträglich eine der interessanten Überraschungen des ganzen Romans. Michael Crichton ist ein Technikfanatiker, der über viele Jahre ja immer wieder die Risiken und Herausforderungen der Technik, aber auch ihren hilfreichen Segen bei einer entsprechenden Anwendung herausgestellt hat. Ob ein Computerprogramm für einen natürlich nicht gewöhnlichen Überfall ein hilfreicher Segen ist, soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden. Das die Schwächen bzw. hinsichtlich des abschließenden Kapitels auch Stärken im Faktor Mensch liegen, zieht sich wie ein roter Faden durch Crichtons Werk und wird auf eine fast selbstironische Art und Weise in der finalen Begegnung zwischen allen Gangstern manifestiert. Gleichzeitig hat Crichton in diesem Schlussabschnitt auch einen bizarren Schurken erschaffen, der mit seinen verschiedenen Macken und Eitelkeiten auch in einem James Bond Streifen ohne die Brutalität der Bond´schen Gegner auftreten  könnte.

 Wie erwähnt haben die Schurken die Rechnung aber ohne Frauen gemacht. Nach dem sehr guten Beginn mit der Vorstellung des Plans verliert sich der Plot ein wenig. Es ist nachvollziehbar, dass einer der Männer zumindest die Dame am Empfang näher kennen lernen sollte. Sie ist wichtig, dass ein Element des Plans auf das Wesentliche reduziert werden kann. Michael Crichton impliziert, dass es sich bei den drei Männern um Profis handelt. Warum sie aber von den ohne Frage hübschen wie willigen Frauen auf sehr unterschiedliche Art und Weise abgelenkt werden, entzieht sich aber dem Leser. Immerhin geht es um ein Verbrechen, das ihnen ein Vermögen bringen soll. Der Ablauf ist genau festgelegt und zwischen ihrer Ankunft und dem Ende der Aktion liegen nur wenige Tage. In dieser Zeit sollten sich die Männer zusammenreißen können und die gemeinsame Mission nicht gefährden.

 Dabei hat Crichton auf eine interessante Mischung zurückgegriffen. Das Computergehirn ist kein klassischer Nerd. Er kennt schon ein Leben abseits der Datenrollen. Seine IBM Maschine hat eine Wahrscheinlichkeit von ungefähr fünfundachtzig Prozent Erfolg ausgerechnet.

 Er rekrutiert zwei Helfer. Eine Figur scheint James Bond nach empfunden zu sein. Ein angeblicher Playboy, der das Leben genießt und Frauen verführen kann. Eine Art Türöffner. Wie sich später herausstellt, aber auch ein nicht kontrollierbares Element. Der dritte Partner ist ein begnadeter Schmuggler und „Händler“. Er soll die Beute nach Italien und dann in den Nahen Osten bringen, damit die Reiseschecks schnell vor einer Sperrung zu Geld gemacht werden können. Crichton lässt sehr gut die Hintergründe der Tat durch seine Figuren erläutern und die Figuren agieren in dieser Phase auch auf Augenhöhe des Lesers. Alles wirkt auf dem Papier, in der Theorie nachvollziehbar.

 Um eine weitere Spannung zu erzeugen, fügt Crichton diesem Trio noch einen weiteren männlichen „Verdächtigen“ hinzu. Einem der Drei wird auf dem Flughafen während der Ankunft der Pass für kurze Zeit „entliehen“. Dieser trifft den Finger des Passes noch einmal in den engen Gassen der kleinen Stadt. Er fühlt sich beobachtet. Der Autor baut diesen Beobachter als erstes unberechenbares Element in den Plan ein. Anstatt diese Prämisse aber dazu zu nutzen, um weitere Spannung aufzubauen und vor allem das Tempo zu verschärfen, scheint die Handlung dahin zu fließen wie das alltägliche Sonnenbaden in diesem vor Dekadenz stinkenden Hotelkomplex. In diesem für den ganzen Spannungsbogen wichtigen Abschnitt greifen die erotischen Szenen. Die Frauen wollen befriedigt vielleicht sogar nur sexuell genommen werden. Während die meisten echten Männer es mehrfach bringen, steht ein wohl erzogener, intellektueller amerikanischer junger Mann am Rande. Er wirkt wie ein Abziehbild des verklemmten Studenten/ Forscher/ Lehrer, der sich vor allem über seine Arbeiten definiert und einmal Sex haben möchte. Seine Freundin erweist sich dagegen als Vamp, die nicht nur von „James Bond“ genommen, sondern auch später mitgenommen werden möchte.

 Der Ablauf des eigentlichen Verbrechens erfolgt schnell und funktionell. Neben der Kombination aus dem eigentlichen Raub und dem Ablenkungsmanöver baut Crichton in diesen Passagen erstaunlich wenig Spannung auf und lässt die erste Bombe im Vorrübergehen platzen. Die Jäger werden zu Gejagten und der intellektuelle Plan löst sich in Luft auf. Mit Drohungen und erotischer Folter wird nach der Schwäche gesucht. Anschließend kommt es zu einer relativ simplen Begegnung und einem zu offensichtlichen Ende. Hier orientiert sich Crichton zu sehr an den zahllosen cineastischen Vorbildern und will seinen Roman mit einer Art Paukenschlag beenden. Das funktioniert sogar effektiv, aber der Autor dreht zu spät an der Spannungsschraube und konzentriert sich zu oberflächlich plötzlich auf den kriminalistischen Hintergrund seines Buches. Zu viele Seiten hat er vorher mit den eher bieder geschriebenen Liebeleien verschenkt.

 „Odds On“ ist zusammengefasst ein stellenweise stark in Ehren gealtertes Buch mit ausreichend Potential. Vieles wirkt aus heutiger Sicht bieder, was in den sechziger Jahre provokant und innovativ erschienen ist. Die Idee mit dem Computer als Planungshilfe ist gut in den Kriminalplot eingebaut. Natürlich ist es der Faktor Mensch, der in mehrfacher Hinsicht alle Pläne durchkreuzt. Schade ist, dass die einzelnen Charaktere teilweise zu klischeehaft und wenig originell gezeichnet worden sind, so dass „Odds On“ vor allem im Mittelteil zu viele Längen und sich wiederholende, distanziert geschriebene Sexszenen aufweist, die im Umkehrschluss wieder den Leser darauf hinweisen, dass der Roman inzwischen um die fünfzig Jahre auf dem Buckel hat.    

 

Hard case Crime, Paperback

272 Seiten

October 2013
ISBN: 978-1-78329-118-2
Cover art by Glen Orbik

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