
Mit „Die Tür in den Sommer“ erhält dieser im Jahre 1956 im „Magazine of Fantasy and Science Fiction“ sowie ein Jahr später in den USA als Taschenbuch veröffentlichte Roman Robert A. Heinleins seine dritte Veröffentlichung in Deutschland. Anfang der achtziger Jahre als „Die Tür in die Zukunft“ im Goldmann Verlag publiziert, erschien das Buch 1993 unter dem richtig übersetzten Titel bei Bastei, sowie jetzt im Rahmen der Heinlein Werksausgabe im Heyne Verlag. Der Titel stammt von Virginia Heinlein, als ihre Katze wie auch im Buch beschrieben wegen des schlechten Wetters das Haus nicht verlassen wollte. Sie schaute hinter jeder Tür nach draußen nach, ob das Wetter dort besser oder anders ist. Nicht nur nach eigenen Angaben hat Robert A. Heinlein den Roman innerhalb von dreizehn Tagen niedergeschrieben.
Auch sechzig Jahre nach der Erstveröffentlichung ist es immer noch ein für Heinleins Werk eher typisches, aus neutraler Sicht aber auch kurioses Buch. Eine Romanze mit wirtschaftspolitischen Anspielungen, eine Ode an das freie Unternehmertum und schließlich mit ein wenig Pathos auch die Idealisierung des amerikanischen Erfinders, der fast nebenbei die Welt besser machen will, sie allerdings nicht friedlicher machen kann. Vor allem in Kurzgeschichten hat sich Robert A. Heinlein mit dem Thema einer aktiven Zeitreise auseinandergesetzt. Das Motiv einer Reise in beide Richtungen der Zeit manifestiert sich im Roman erst relativ spät. Bis dahin folgt Robert A. Heinlein seinem Vorbild H.G. Wells und dessen erwähnten Buch „Der Schläfer erwacht“, sowie den Ideen, die er in seinem ersten lange Zeit unveröffentlichten Debütroman „For us, the Living“ deutlich belehrender und theoretisierender hinsichtlich perfekter Sozial- und Wirtschaftssysteme sich erarbeitet hat.
Ausgangspunkt des Roman dreizehn und dreiundvierzig Jahre in der Zukunft – also 1970 und 2000 - spielend ist eine Welt, in welcher die USA einen hinterhältigen teilweise mit Atomwaffen geführten Angriff der UdSSR zurück geschlagen haben, weil sie in Alaska ganze Truppenteile eingefroren hatten, die nach ihrem Auftauen über ausreichend Schlagkraft verfügten, um die rote Gefahr allerdings unter großen Opfern zurückzuschlagen. Denver ist die neue Hauptstadt. Diese Technik des Einfrierens nutzen vor allem Versicherungen kommerziell, um ihre Klienten einzufrieren, deren Gelder anzulegen und schließlich zum verabredeten Zeitpunkt wieder aufzutauen. Daniel Boone Davis ist nicht nur Soldat wie angesprochen in Alaska eingefroren gewesen, sondern agiert vor allem als Erfinder von Haushaltsgeräten. Im Mittelpunkt der von ihm zusammen mit seinem Partner Miles Gentry gegründeten Firma steht ein Assistenzroboter, der beginnend als automatisierter Staubsauger den Menschen mehr und mehr Arbeit abnehmen soll. Gentry und Davis haben die attraktive Belle Darkin eingestellt. Diese verbündet sich nach ihrer Verlobung mit Davis allerdings mit dessen Partner Gentry. Gemeinsam übernehmen sie die Firma und treiben den labilen, nur noch seinen Kater liebenden Davis dazu, sich einfrieren und dreißig Jahre in der Zukunft wieder auftauen zu lassen. Als „Erben“ und „Treuhänder“ setzt er seine minderjährige Nichte ein, die ihn anscheinend mehr als nur einen Verwandten liebt. Heinlein überspannt in diesem Abschnitt ein wenig den Bogen und greift seinen komplexen Familienstrukturen im Lazarus Long Klan voraus. Auf der einen Seite will Davis zusammen mit seiner Katze sich sowieso einfrieren lassen, auf der anderen Seite besucht er noch einmal das verräterische Pärchen und wird mittels einer Geisterdroge gezwungen, sich jetzt abschließend einfrieren zu lassen. Seine Unterlagen werden gefälscht, so dass er in der Zukunft mittellos aufwacht.
In diesem ersten romantisch verklärten an eine Tragödie erinnernden Teil der Geschichte eines zu naiven Mannes, der anscheinend einem Vamp vertraut, beginnt Robert A. Heinlein im Grunde wie in seinen späteren Büchern zu schwafeln. Über einige Seiten erklärt Davis die Beziehung zu seinem Kater, seine Angewohnheiten, die Suche nach der Tür in den Sommer und schließlich die Tatsache, dass Katzen im Grunde unbestechlich sind. Diese Episoden lesen sich amüsant und lebhaft, treiben aber die Handlung nicht voran. Drei Jahrzehnte später wird Robert A. Heinlein eine Reihe dieser Ideen in „Die Katze, die durch Wände ging“ wieder aufnehmen, aber nicht mehr extrapolieren. Davis ist im Grunde eine Art Weichei, der sich blind auf die erste Liebe stürzt und natürlich von ihr ausgenommen wird. Er scheint nicht unbedingt Kontaktfreudig zu sein und freut sich am meisten, in der Einsamkeit an seinen futuristischen Ideen basteln zu dürfen. Im Hintergrund zeigt Heinlein, dass es das Ideal eines jeden Amerikaners sein muss, unabhängig und frei arbeiten zu können. Angestellt zu sein bedeutet für Heinlein die Ausbeute von Körper und Geist durch das Kapital.
Auch in der Zukunft angekommen beginnt Davis auf Umwegen wieder den Aufstieg nicht vom Tellerwäscher, sondern dem Bediener einer Schrottpresse zu einem wichtigen Entwickler und damit auch schnell zum Millionär. Interessant ist, dass Robert A. Heinlein die Exzesse des Kapitalismus – Autos dürfen nicht exportiert werden, sondern werden nach drei Jahren vernichtet, damit wieder neu produziert und vor allem konsumiert werden kann – anprangert, ohne insbesondere für den amerikanischen Lebensstil wirklich eine Alternative anbieten zu können. Kaum ist Davis wieder auf dem Weg nach oben, wendet sich Robert A. Heinlein von den schon von H.G. Wells genutzten Strukturen eines künstlichen Kälteschlafs ab und beginnt den eigentlich aktiven Zeitreiseplot zu entwickeln.
Die Zeitreise als eine Art Ausgleichssystem zwischen einer Verschiebung in die Vergangenheit – aber nur solange es die Idee des Kälteschlafs gibt – und gleichzeitig in die Zukunft extrapoliert Robert A. Heinlein in einer für ihn so typischen, aus heutiger Sicht nur noch belehrenden Manier. Dabei verzichtet er auf klassische Ideen wie Zeitparadoxa, zumal sein Protagonist mit seinem Handeln in der Vergangenheit, abgeleitet von den Ergebnissen des Jahres 2000 die Vergangenheit manipuliert und im Grunde eine neue Parallelzeitachse erschafft. Aber Heinlein geht es weniger um wissenschaftliche Fakten, sondern klassische Rache. Davis erreicht alle seine Ziele und baut sich im zweiten Versuch seine persönliche Tür in den Sommer. Wie eingangs erwähnt sind einige Implikationen fragwürdig und den Altersunterschied zwischen seinem Mündel und ihm selbst umschifft Heinlein elegant, pragmatisch und romantisch zu sehr verklärt. Aber Davis geht routiniert vor und nutzt sein technisches Wissen, um die im Geheimen als Nebenprodukt entwickelte Zeitreise zu seinem persönlichen Nutzen einmal einzusetzen und mittels des Kälteschlafs ein zweites Mal in die Zukunft zurückzukehren, die er inzwischen zu seinen Gunsten in der Vergangenheit „manipuliert“ hat. Dabei spielt es keine Rolle, das Davis im Grunde nicht mehr in der Zukunft landen kann, aus welcher er in die Vergangenheit aufgebrochen ist. Heinlein erwähnt auch nicht, das diese Zwischenzeit überschrieben wird und Davis in der neuen Zukunft im Kern noch einmal von "vorne" beginnen müßte.
Dank seines unterhaltsamen Stils, der elegant, aber auch routinierten Handlungsführung und der Idee des abschließend umgedrehten Verrats unterhält „Die Tür in den Sommer“ auch sechzig Jahre nach seiner Entstehung auf einem zufriedenstellenden Niveau. Es ist einer der typischen Übergangsromane zwischen dem sich als Jugendbuchautor nach dem Krieg etablierenden Heinlein und dem ab Anfang der sechziger Jahre mehr und mehr zu einem provokanten und kontinuierlich provozierenden Genreautoren entwickelnden Grandmaster der Science Fiction.
Originaltitel: The Door into Summer
Aus dem Englischen von Tony Westermayr
Taschenbuch, Broschur, 304 Seiten,
ISBN: 978-3-453-31739-0
Verlag: Heyne